Naturgeschichte

Eiszeitfossilien

Insekten und Pflanzen

Winzige Insektenreste mit spektakulÀren Farben

Schon bei den Ausgrabungen von 1890/91 entdeckte man im Torf von Niederweningen bunt schillernde FlĂŒgeldecken von KĂ€fern, z.B. vom RohrkĂ€fer Donacia. Auch bei den neuen Grabungen von 2003 und 2004 fielen solche 1 bis 5 mm grosse Reste auf. Durch sorgfĂ€ltiges Aufweichen und Sieben des Torfes konnten viele Insektenreste aus dem Torf um das Mammutskelett und aus dem ganzen Profil gewonnen werden. Allein die Analyse der KĂ€ferreste ergab den Nachweis von mehr als 140 verschiedenen Formen, davon konnten 100 bis auf die Art bestimmt werden. Viele sind heute in Mitteleuropa ausgestorben und auf nördliche Breiten Skandinaviens, Sibiriens und Nordamerikas beschrĂ€nkt.

Meistens findet man nur isolierte Teile des ursprĂŒnglichen Chitinpanzers der Insekten wie FlĂŒgeldecken, Kopf- und Brustpanzer sowie Beine. ZusammenhĂ€ngende Reste sind selten. Ein Blick durch das Mikroskop zeigt, dass die Chitinsubstanz praktisch unverĂ€ndert erhalten geblieben ist. ZuckmĂŒcken- und Köcherfliegenlarven sowie einige WasserkĂ€fer zeigen stehende GewĂ€sser an. Sumpfige Böden sind der Lebensraum eines Teils der pflanzenfressenden und rĂ€uberischen KĂ€fer. Andere Arten bevorzugen heute die feuchten Moospolster von Hochmooren. Einige Spezialisten fressen nur BlĂ€tter von Birken, saugen auf Kieferzweigen oder fressen BlattlĂ€use in Baumspitzen von NadelbĂ€umen. Das Auftreten von BorkenkĂ€fern, die auf Fichten oder Birken spezialisiert sind, zeigt sogar grosse absterbende BĂ€ume an. Andere KĂ€fer leben nur auf Blumenpflanzen der Alpwiesen. Weitere Insekten wie Wanzen und Wespen, aber auch Milben sind nachgewiesen, wurden aber nicht genauer bestimmt.

Einige der nachgewiesenen KĂ€ferarten, die heute in Mitteleuropa ausgestorben und auf den Norden Schottlands, Skandinaviens, Sibiriens, Alaskas und Kanadas beschrĂ€nkt sind, erlauben ĂŒberraschend genaue Aussagen zum Klima. WĂ€hrend an extreme KĂ€lte angepasste Formen des hohen Nordens nur im unteren und mittleren Abschnitt des Torfs auftreten, sind es im obersten Abschnitt hauptsĂ€chlich Arten der nördlichsten WĂ€lder Sibiriens (Taiga).

Mikroskoptisch

KÀferreste aus dem Mammuttorf von Niederweningen können neben weiteren Kleinfossilien am Mikroskoptisch im Museum betrachtet werden.

Holz, Tannzapfen und Samen

Da Torf aus unvollstĂ€ndig verrotteten Pflanzen entsteht, ist es nicht verwunderlich, dass selbst in dem dicht gepressten eiszeitlichen Torf von Niederweningen viele Pflanzenreste von Auge erkennbar sind. Holz in allen Grössen vom dĂŒnnen Zweiglein bis zum 30 cm messenden Stammquerschnitt, BlĂ€tter und Nadeln, Fichtenzapfen und Samen verschiedenster BĂ€ume, Stauden und KrĂ€uter. Moos ist vor allem im obersten Abschnitt des Torfs im Bereich des Mammutskelettes hĂ€ufig, wo auch die Wasserpflanzen konzentriert sind. Nur mit dem Mikroskop nachzuweisen sind die winzig kleinen Pollen und Sporen, die besonders aussagekrĂ€ftige Hinweise auf die damalige Pflanzenwelt erlauben.

Relativ hÀufig sind kleine Samen der verschiedensten Pflanzen, die aus dem Torf gewaschen und gesiebt wurden. Hier wird eine Auswahl gezeigt, die von Himbeeren bis zu Wasserpflanzen wie Laichkraut, Fieberklee und Armleuchteralgen reicht.

Im Bereich des Mammutfundes 2003 fanden sich vor allem kleinere Ast- oder ZweigstĂŒcke von Rottanne (Fichte), Birke, Weide und Geissblatt. Typisch sind Zwergbirken und Kriechweiden, wie sie heute in der arktischen Tundra vorherrschen. Überzeugende Nachweise von grosswĂŒchsigen Rottannen sind Nadeln, komplett erhaltene Zapfen und viele splitterartige HolzstĂŒcke. Sie sind hĂ€ufig in linsenartigen Anschwemmungen konzentriert, die im oberen Teil des Mammuttorfs und in der oberen dĂŒnnen Torflage auftreten.

Samen aus dem Mammuttorf von Niederweningen

Wildpferd, Steppenbison, Wollnashorn, Wolf und HöhlenhyÀne

Bei den grossflĂ€chigen Ausgrabungen im «Mammutloch» von 1890/91 wurden auch Knochen und ZĂ€hne gefunden, die nicht vom Mammut stammen. Nachdem Arnold Lang in seiner Publikation von 1892 einige Nachweise von Wolf, Pferd und Bison aufgefĂŒhrt hatte, bestimmte man etwas spĂ€ter auch einen Oberarmknochen und einen Zahn eines Wollnashorns. Aus der Notgrabung 2004 stammt ein weiterer Zahn eines grossen Raubtieres, der HöhlenhyĂ€ne.

In der 1890/91 auf einer LĂ€nge von 70 m abgegrabenen Torfschicht im «Mammutloch» von Niederweningen wurden neben den auffĂ€llig grossen Knochen und ZĂ€hnen des Mammuts auch relativ viele isolierte ZĂ€hne und Knochen eines eiszeitlichen Wildpferds gefunden, das als Equus germanicus bezeichnet wird. Auf Grund der unterschiedlichen AbnĂŒtzung der hochkronigen BackenzĂ€hne liegen verschiedenaltrige Individuen vor. Das eiszeitliche Wildpferd war etwas grösser als das heutige wilde Przewalski-Pferd und ein typisches und weit verbreitetes Tier der Mammutsteppe, ist jedoch auch aus bewaldeten Biotopen bekannt.

Zum Steppenbison (Bison priscus) gehören ein mĂ€chtiger knöcherner Stirnzapfen, einzelne Bein- und Fussknochen ausgewachsener Tiere und SchĂ€delknochen eines Kalbes. AuffĂ€llig ist die helle Farbe der zusammengehörenden Knochen eines Vorderfusses, der vermutlich in den ĂŒber dem Torf liegenden hellgrauen Seesedimenten gefunden wurde. Das krĂ€ftige Grossrind erreichte eine Schulterhöhe von ĂŒber 2 m.

BackenzĂ€hne und ein RĂŒckenwirbel des Wildpferdes aus dem Torf von Niederweningen

Ebenfalls im «Mammutloch» von 1890/91 wurden der krÀftige Oberarmknochen und ein Zahnkeim eines Nashorns gefunden, das heute als Coelodonta antiquitatis bezeichnet wird. Das eiszeitliche Wollnashorn war in Kaltzeiten weit verbreitet, wurde aber jeweils in den Warmzeiten durch das Waldnashorn (Stephanorhinus kirchbergensis) verdrÀngt. Gut erhaltene SchÀdel- und Knochenfunde in Mitteleuropa und tiefgefrorene Kadaver im Permafrost von Sibirien zeigen, dass die Tiere eine Schulterhöhe von 2 m erreichten. Sie besassen ein sehr langes vorderes und ein zweites kleineres Horn und trugen ein langes Fell.

Offensichtlich jagten auch Raubtiere im Gebiet von Niederweningen, da bei den Grabungen von 1890/91 zwei krÀftige BackenzÀhne und zwei Gliedmassenknochen des Wolfs (Canis lupus) zum Vorschein kamen. Ein grosser spitzer Zahn aus der Baugrube Mammutweg 2004 gehörte als dritter berkiefer-Schneidezahn zur HöhlenhyÀne (Crocuta crocuta spelaea). Möglicherweise stammen auch Bissspuren auf einem grossen Mammutknochen aus dem Fund 1890/91 von diesem grossen Aasfresser.

WĂŒhlmĂ€use, Lemming, Grasfrosch und Vögel

Bereits 1890/91 wurden im «Mammutloch» von Niederweningen kleine ZĂ€hne und Knochen entdeckt. Dazu gehören Unterkiefer und EinzelzĂ€hne der Schermaus und des Berglemmings. Durch Auswaschen von tonig-siltigem Torf aus der Baugrube fĂŒr das Schulhaus «Mammutwies» konnten 1990 weitere isolierte ZĂ€hne von WĂŒhlmĂ€usen gewonnen werden. ZusĂ€tzliche Kieferreste und EinzelzĂ€hne von MĂ€usen wurden beim Auswaschen von rund 300 kg Sediment aus der Notgrabung Mammutweg 2004 im SiebrĂŒckstand ausgelesen. Einzelne Knöchelchen von Grasfröschen und nicht genauer bestimmten Vögeln sind seit 1890/91 bekannt und konnten in der Notgrabung 2004 bestĂ€tigt werden. Interessanterweise ist vom Fundort des Mammutskeletts 2003 keine Kleinfauna nachgewiesen.

WĂŒhlmĂ€use und Lemming

Neben den ZĂ€hnen und Knochen der grossen eiszeitlichen SĂ€ugetiere erscheinen die Kiefer und ZĂ€hne der WĂŒhlmĂ€use winzig klein. Hinter den stark gebogenen SchneidezĂ€hnen erkennt man die relativ hohen BackenzĂ€hne mit dem typischen Schmelzmuster. Die eiszeitlichen Vertreter der Schermaus oder «Wasserratte» (Arvicola terrestris), unserer grössten einheimischen WĂŒhlmaus, lebten wohl hauptsĂ€chlich in feuchtgrĂŒndigen Böden. Die kleineren Vertreter der WĂŒhlmĂ€use der Gattung Microtus hingegen bevorzugen offenes GelĂ€nde mit niedrigem Pflanzenwuchs. Ein einziges Unterkieferfragment stammt vom Berglemming (Lemmus lemmus), der heute nur noch in Skandinavien in Höhen zwischen 600 und 1700 m vorkommt. Normalerweise in der Bergheide mit niedriger, kriechender Vegetation lebend, durchquert dieser kleine Nager nach Massenvermehrungen bei jahreszeitlichen Massenwanderungen, den berĂŒhmten «LemmingzĂŒgen» auch tiefer liegende NadelwĂ€lder und sogar FlĂŒsse und Seen.

Frosch- und Vogelknochen

Relativ hÀufig sind kleine hohle Knöchelchen des Grasfrosches (Rana temporaria). Diese nicht sehr kÀlteempfindliche Froschart kommt auch heute noch in schneereichen Gebieten der Alpen bis in Höhen von 2600 m vor. Ein Brustbeinfragment eines nicht genauer bestimmten Vogels ist seit 1890/91 bekannt. Weitere Vogelknochen wurden 2004 in der Notgrabung am Mammutweg 2004 gefunden.