Kulturgeschichte

Römerzeit in der Region Lägern

Um 15 v. Chr. gelangten römische Truppen unter Kaiser Augustus auf die Nordseite der Alpen und besetzten auch das Gebiet der heutigen Schweiz. Bereits seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. waren die wirtschaftlichen und kulturellen Einflüsse aus dem Römischen Reich in den Norden immer stärker geworden. In der Folge dieser Umwälzungen wurde die ortsansässige keltische Bevölkerung nach und nach «romanisiert». Nach römischem Vorbild entstanden auch in der Region Lägern neue Siedlungen und Gräber, ein «römisches» Strassennetz wurde angelegt.

Römische Zeugen

Besonders deutlich sind die römischen Zeugen im Furttal südlich der Lägern zu finden; die beiden Gutshöfe von Buchs (1) und Dällikon (2) dominierten das Tal und lagen an zwei Strassen im nördlichen und südlichen Hangbereich. Erstere verband das Legionslager in Windisch (Vindonissa) mit Kloten und

Oberwinterthur (Vitudurum). In Otelfingen (3) legten Archäologen eine rund 5 m breite Kiesstrasse frei, die an einigen Stellen mit Holzstämmen unterlegt war. Sie war im 1. Jahrhundert n. Chr. gebaut worden. Auch Gräber geben Hinweise auf ehemalige Strassen, denn die Römer bestatteten ihre Verstorbenen hauptsächlich entlang von Verbindungswegen. Darum weisen in Niederweningen die Grabfunde vom «Forrenbuck» (4) und vom «Stüdlen» (5) auf eine mögliche Nord-Süd-Verbindung über die Lägern hin.Im Wehntal zeichnet sich eine analoge Besiedlung mit einem Strassen- und Wegnetz ab. Das Tal wird von den beiden Gutshöfen in Oberweningen (6) und Schleinikon (7) beherrscht. Auch hier ist mit einer dichten, planmässigen Besiedlung und einer Ost-West-Verbindung in römischer Zeit zu rechnen, obwohl die Funde bislang noch nicht so zahlreich sind wie im Furttal.

Gutshöfe waren landwirtschaftliche, auf Überschussproduktion ausgerichtete Betriebe. Sie bestanden jeweils aus zwei klar voneinander abgegrenzten Bereichen: Im herrschaftlichen Teil lebten der Gutshofbesitzer und seine Familie. Im Wirtschaftsteil («pars rustica») wohnten die Landarbeiter und Bediensteten, die für den Betrieb des Gutshofs zuständig waren. Hier waren Ökonomiegebäude, Werkstätten und handwerkliche Betriebe untergebracht. Meistens umgab eine Mauer das Gutshofareal, das mehrere Hektaren umfassen konnte. (Rekonstruktion Ettlin&Grando GmbH, Forch)

Der private Hauskult nahm im römischen Alltag einen wichtigen Platz ein. In fast jedem Haus gab es, meist in der Nähe des Herdes, einen kleinen Hausaltar (Lararium), an dem man im familiären Umfeld die verschiedensten Gottheiten, die guten Geister und die Ahnen verehrte, indem man ihnen Opfergaben darbrachte. Solche kleinen «Hausaltäre» waren auch in unserem Gebiet üblich, wie verschiedene Statuettenfunde und Ausgrabungen belegen.

Der römische Brauch, für private Zwecke einen Hausaltar mit Götterstatuen einzurichten, stammt aus dem italischen Kernland und wurde mit der römischen Besetzung und Einflussnahme auch im Gebiet der heutigen Schweiz üblich. Die Lararien konnten in einer Wandnische stehen, als kleines Terrakotta-Tempelchen ausgestaltet oder auf einem hölzernen Schrank eingerichtet worden sein. Unter Aufsicht des Familienoberhauptes wurden täglich die Götter verehrt, es wurde ihnen geopfert und bei wichtigen Ereignissen wie Geburten, Todesfällen und Hochzeiten wurden Andachten abgehalten. Die aufgestellten Bronzestatuetten stellten lediglich eine Auswahl aus den zahlreichen Gottheiten der römischen Welt dar. Beliebt in den Lararien waren hauptsächlich Merkur, Jupiter, Herkules, Minerva und Fortuna, aber auch Mars, Diana, Amor oder Venus. Den Schutzgottheiten des Hauses, den Laren, wurden besondere Gebete und Opfergaben gewidmet. Die Laren waren ursprünglich Geister der Unterwelt, welche die Lebenden verfolgten; sie wandelten sich aber bald zu ländlichen Schutzgeistern, deren Aufgabe die Bewachung von Ernte, Häusern und Strassen war. Es gab beispielsweise Schutzgeister für Wegkreuzungen (lares compitales), für Strassen (lares viales) oder für Seewege (lares permarini) und natürlich für die Familie (lar familiaris). Der Lar familiaris war der «Hausgott» der Familie, er war mittels Ösen an den Schultern im Altar aufgehängt: bewegte sich die Statue nach der Opferung, so war dies ein Glückszeichen und bestätigte die Anwesenheit der Schutzgeister. Häufig waren die Statuetten von Tierfiguren begleitet – Widder, Schildkröten, Schlangen oder Ziegen. Der auf den Vorderbeinen knieende Ziegenbock (D) symbolisiert die Herde und den Hirten und ist ein Attribut des Gottes Merkur.

Die Götter im Lararium

Aus der Göttertrias Jupiter (dem obersten Gott), Juno und Minerva deutete man ursprünglich den Fund aus Oberweningen (A) als Büste der Minerva mit ihrem typischen Helm mit dem grossen Federbusch: sie ist die Göttin der Weisheit, der Künste und der Wissenschaft und beschützt zusammen mit Jupiter und Juno die Stadt Rom und den römischen Staat. Spätere Studien identifizierten die Büste dann aber als den jugendlichen Kriegsgott Mars. Vor allem der Helm deutet auf seine kriegerische Funktion hin. Er war auch als Agrargottheit für das Gedeihen der Vegetation zuständig. Der geflügelte Hut des Merkur (B) charakterisiert diesen als Götterboten, der über Reisende und Kaufleute wacht. Die Göttin des Glücks und des Zufalls, aber auch des Unglücks und des Schicksals war Fortuna (C). Ihre typischen Attribute sind ein Steuerruder und ein Füllhorn; sie wird oft als geflügelte Frau gezeigt, die über einer Kugel schwebt. Entgegen der landläufigen Meinung können die römischen Götter nicht einfach mit ihren griechischen Pendants gleichgesetzt werden. Sie haben andere Wurzeln als die griechischen Götter; erst im Verlauf der Zeit wurden griechische Mythen auf die römischen Götter übertragen.